Rechtsfragen zum Corona-Virus in Österreich: Miete und Corona-Virus
Die durch den Corona-Virus ausgelöste Pandemie und die, zu deren Bekämpfung behördlich dekretierten Einschränkungen des Geschäftslebens werfen gewisse Rechtsfragen auf. So bedingt die 96. Verordnung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Schließung von Geschäften in Sparten, die nicht der Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung mit medizinischen Gütern, Medikamenten und Lebensmitteln dienen.
Der durch Pandemie und behördliche Reaktion hierauf bedingte Ausnahmezustand verfolgt das Ziel, soziale Kontakte wesentlich einzuschränken und dient der weitgehenden Isolierung von Personen, die Risikogruppen angehören.
Der Ausnahmezustand belastet Unternehmen, vor allem in den Sparten Einzelhandel, Tourismus und Gastwirtschaft. Für diese Unternehmen ist derzeit, unter anderem, relevant, ob sie für die Dauer des Ausnahmezustandes verpflichtet sind, Mietzinse für Geschäftslokale, Büros, etc. zu entrichten.
Die einschlägige gesetzliche Bestimmung zur Beurteilung dieser Frage ist § 1104 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs („ABGB“):
„Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.“
§ 1104 ABGB nennt demonstrativ Tatbestände, die den Begriff „außerordentlicher Zufall“ bestimmen sollen. Diese Tatbestände entbinden Mieter, für die Dauer deren Betroffenheit von derartigen Tatbeständen, von der Verpflichtung zur Zahlung des Bestandzinses für Mietobjekte, die nicht gebraucht oder benützt werden können. Diese Verpflichtung kann gänzlich oder teilweise entfallen, abhängig von der tatsächlichen Benützungseinschränkung, die der außerordentliche Zufall bedingt. Der Entbindung des Mieters von der Verpflichtung, den Mietzins zu entrichten, korreliert der Entfall der Verpflichtung des Vermieters, den Mietgegenstand Instand zu halten.
Ist die, im Gefolge der Corona-Virus Pandemie, derzeit in Geltung stehende, behördliche Beschränkung der Nutzung von Geschäften, Restaurants und anderen betrieblich genutzten Objekten als „außerordentlicher Zufall“ im Sinne des § 1104 ABGB zu werten?
Aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofs ergibt sich eine positive Beantwortung dieser Frage. In ständiger Rechtsprechung geht der OGH davon aus, „Elementarereignisse, die von Menschen nicht beherrschbar sind und für deren Folgen im Allgemeinen von Niemand Ersatz verlangt werden kann“ (OGH, 1 Ob 306/02k), seien „außerordentliche Zufälle“ iSd § 1104 ABGB. Die von der derzeitigen Pandemie und der behördlichen Reaktion hierauf bedingten Nutzungsbeschränkungen von Bestandobjekten erfüllen den in § 1104 ABGB normierten Tatbestand.
Dies bedingt jedoch nicht in jedem Fall eine vorübergehende Befreiung von der Verpflichtung, den Mietzins zu entrichten.
Einerseits ist § 1104 ABGB dispositives Recht. In Mietverträgen dürfen daher abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Anderseits ist die Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung des Mietzinses nur für den tatsächlich nicht benützbaren Teil des Bestandobjektes gegeben (§ 1105 ABGB). Wird beispielsweise ein Teil eines Geschäftslokals als Lager verwendet, mag die Zahlungsverpflichtung für diesen Teil weiter bestehen.
Anders ist die teilweise Zinsminderung bei Pachtverhältnissen zu beurteilen. Eine teilweise Minderung des Pachtzinses ist nur möglich, wenn der Pachtvertrag auf die Dauer von maximal einem Jahr abgeschlossen wurde und durch die Unbrauchbarkeit mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Pachtertrags verloren wird.
Neben der Möglichkeit der Mietzinsminderung, besteht für betroffene Unternehmer ebenso die Möglichkeit, das Mietverhältnis vorzeitig aus wichtigem Grund (Unbenutzbarkeit) zu beenden.
Aus § 1104 ABGB ist daher kein allgemeiner Mietzinsentfall für betroffene Unternehmen abzuleiten. Er gibt jedoch ein Instrumentarium zur Hand, das das Ziel der Reduktion des Mietzinses, unter den hier beschriebenen Bedingungen, erreichbar macht.
Jedenfalls ist Betroffenen zu raten, umgehend mit den Vermietern das Einvernehmen herzustellen, um einvernehmlich Lösungen zu formulieren.
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Unsere Artikelserie zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus soll allgemeine Informationen zu drängenden rechtlichen Fragen liefern und ist keinesfalls als Rechtsberatung für einen bestimmten Fall zu verstehen. Für eine auf Ihr Anliegen oder Ihr Unternehmen zugeschnittene Rechtsberatung kontaktieren Sie uns bitte unter: .
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